Gottesfrieden – Treuga Dei – Pax Dei

Die Gottesfrieden waren die Antwort der Kirche auf die Exzesse der - bisher rechtmäßigen - privaten Selbsthilfe der weltlichen Großen.

Medien: (Übersicht Medien)
Orte: (Übersicht auf Landkarte)
Zeittafel: (Übersicht als Zeitleiste)
1040 Verkündung des Gottesfriedens in Frankreich
1083 Gottesfrieden von Köln

Die Kirche beklagte den Verlust ihrer Güter, die Bauern litten unter der ruinösen Zwangsvollstreckung von oft unberechtigten Abgaben; beide klagten über „malae, novae, iniustae consuetudines/böse, neue und rechtswidrige Abgaben“. Was die weltlichen Herren als ihr gutes Recht behaupteten und mit harter Hand vollstreckten, beklagten Kirche und Bauern als „Raub/rapina“.

Den ersten Gottesfrieden brachte Bischof Wido von Le Puy im Jahre 975 zustande. Er zwang die adligen Herren zum Friedenseid, indem er sie durch ein bereit gestelltes Heer umzingeln ließ. Die Maßnahme fand bald Nachahmer und breitete sich im Laufe des 11. Jahrhunderts von der Auvergne in Westeuropa aus. Anfangs allein von Bischöfen veranstaltete Unternehmen, entwickelten sich die Friedenskonzile zu einer Volksbewegung. Die Kirche lud außer den Großen auch das Volk ein und weckte ein begeistertes Echo der Volksmassen.

Die Beschränkung der privaten Selbsthilfe als ein erster Schritt auf dem Weg zur Errichtung des staatlichen Gewaltmonopols blieb anfangs bescheiden. Es wurden nur einzelne gefährdete Personen – Kleriker, Frauen, Kaufleute, Juden, Bauern, Pilger etc. – unter absoluten Friedensschutz gestellt; ferner gab es geschützte Orte, etwa Klöster, Kirchen und Hofstellen. Das Bekriegen eines Gegners auf offener Straße blieb dagegen weiter zugelassen. Vorläufig war nur eine zeitliche begrenzte Einführung von Friedenspflichten möglich und auch dies nur für die befristete Geltungsdauer der Friedenseinungen, die deshalb oft wiederholt wurden.

Die Gottesfrieden waren weder Gesetze noch Verträge, sondern Eidgenossenschaften, „Verschwörungen“. Der Kreis der Schwörenden wurde allmählich erweitert. Es kam nach altem Eidesverständnis nicht darauf an, ob die Eide freiwillig oder unter Zwang geleistet wurden. Später ging die Technik der Friedenseinung von den Bischöfen in Gestalt der „Landfrieden“ auf die weltlichen Großen über. Diese setzten an die Stelle der kirchlichen Sanktionen von Buße und Exkommunikation die neue peinliche Strafe, organisierten die Rechtsverfolgung gegen Landfriedensbrecher sowie Schiedsgerichte und erstreckten die Eidespflicht auf alle Bewohner ihrer Territorien; wer die Eidesleistung verweigerte, wurde „gleichwie ein Eidbrecher“ bestraft. Dadurch wandelten sich die aus den Gottesfrieden hervorgegangenen Landfrieden zu echten Gesetzen.

Theologie des Gottesfriedens

Cerus erat fortis, conciamans vocibus artis: «Regis preceptum numquam frustretur inultum; Passeribus prosit, qui regis iussa fefellit; Sublaterans quemquam, non hoc sibi proderit umquam. Si scandit fraude, mox mistica seminat ore, Perplexos morus resupinat corde lupinus, Occultans animum, certat subvertere iustum, Mortis hic est amus, viroso escamine tectus, Propinat mortem, dum fingit ferre salutem. Fraudem, quam fecit, vicinam confore scibit; Quod sine lege stetit, vere sine lege peribit. Hos repetens ludos enutriat in cruce corvos, Et famuli nequam vincti mittantur Ylerdam. Vestitura dati confestim redditur illi.» Die Versammlung war kampfesmutig und rief mit lauter Stimme: »Das Gebot des Königs soll niemals ungerächt übertreten werden! Den Vögeln diene zum Fraß, wer den Befehlen des Königs nicht gehorcht hat und jemanden verleumdete; niemals soll ihm das nützen, wenn er mit Betrug vorgeht, flugs mit seinem Munde geheimnisvolle Andeutungen ausstreut. Heimtückische Bisse bringt er hinterrücks an, im Herzen wölfisch, er verbirgt seinen Sinn und trachtet das Recht umzukehren. Er ist ein Angelhaken des Todes, mit giftiger Lockspeise bedeckt; er reicht einen tödlichen Trank, während er vorgibt, Medizin zu bringen. Er soll wissen, daß die Hinterlist, die er legte, ihn ähnlich treffen wird; was rechtlos bestanden hat, wird wahrlich rechtlos zugrunde gehen. Wer dieses Spiel immer wieder treibt, soll am Galgen die Raben nähren, und seine nichtsnutzigen Diener schicke man gefesselt nach Tlerda. Die Belehnung aber wird auf der Stelle dem (Fuchs) zurückgegeben.«
«Hoc legimus scriptum, credamus et esse probatum: Ve qui predaris, quoniam predaberis ipse! Mercatur mortem, qui fraudis diligit artem, Nec capiet risum, qui sic sectatur iniqum. In te se discat, qui iuste vivere targat.» Epilaphium: »Dies lesen wir in der Schrift und wollen es für erwiesen halten: Weh dir, der du raubst, denn du wirst selber zum Raube werden! Den Tod erkauft sich, wer die Schliche der Heimtücke liebt; und nicht Lachen wird ernten, wer so auf Unrecht ausgeht. An dir belehre sich, wer gerecht zu leben sich scheut.«
«Nam multi pereunt, quia sensu vivere nolunt. Non iactu lapidis nec iacto missile quovis Captio fit castri tanti sine cede peculii: Ingenii sensus prudentum fortis et astus Milibus armatis cicius dominatur inhermis. Credite, consocii, me visit gratia Christi. Conservate fidem, nodosam pellite fraudem, Subveniat fraer frati pro posse fideli! » »denn es gehen viele zugrunde, weil sie nicht vernünftig leben wollen. Ohne daß man einen Stein geschleudert oder sonst ein Geschoß entsandt hat, erfolgt die Einnahme dieser bedeutenden Feste ohne eigene Verluste. Tapferer Sinn und List kluger Männer siegen ohne Waffen schneller als Tausende von Bewaffneten. Glaubt mir, Gefährten, auf mich schaut die Gnade Christi. Bewahrt mir die Treue, weist ränkevollen Betrug von euch, der Bruder komme dem Bruder nach besten Kräften getreulich zu Hilfe.«

(Ecbasis cuiusdam captivi, hg. u. übers. v. Winfried Trillitzsch, Leipzig 1964, Zeilen 1106-1119; 1166-1170; 1190-1197)

Literatur

  • Hattenhauer, Hans, Gottesfrieden und Heiligenverehrung, Göttingen 1998
  • Hoffmann, Hartmut, Gottesfrieden und Treuga Dei, Stuttgart 1964

Hans Hattenhauer