Der Königsforst Kaufunger Wald
Der in Urkunden der fränkischen Könige seit dem 7. Jahrhundert vorkommende Terminus forestis (Forst) bezeichnet einen umgrenzten Bezirk, der hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, aus Wald bestand und in dem alle Nutzungsrechte, vor allem Jagd und Fischerei, dem König vorbehalten waren.
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Forst entstand durch Einforstung (inforestatio) herrenlosen (oder durch erbenlosen Tod herrenlos gewordenen) Landes, wobei unter Umständen schon bestehende Rechte anderer beeinträchtigt werden konnten. Für die Aufsicht über die königlichen Forsten gab es besondere Amtsträger, die forestarii. In einem Aachener Kapitular Kaiser Karls des Großen (MGH Capit. Nr. 77, c. 18) heißt es: De forestis, ut forestarii bene illas defendant simul et custodiant bestias et pisces. Et si rex alicui intus foreste feramen unum aut magis dederit, amplius ne prendat, quam illi datum sit. Das lässt darauf schließen, dass dem König nach Vergabe von Rodungsrechten vor allem an Klöster und von Weide- und Holzbezugsrechten an die Siedler im Forst und an die umliegenden Königshöfe nicht viel mehr geblieben war als Jagd und Fischerei in seinem Forst.
Die Einforstung
In einer Urkunde vom 9. Mai 813 (MGH DKar. I Nr. 218) bestätigte Karl der Große seinem Getreuen Asig den von dessen Vater Hiddi gerodeten, aber von Königsboten eingezogenen Teil des Waldes Buchonia bei Hauucabrunno zwischen Werra und Fulda. Hiddi war Sachse, wollte aber dem Kaiser die Treue halten, verließ seine Heimat und ging nach Wolfsanger (heute Stadtteil von Kassel), wo damals Franken und Sachsen gemeinsam wohnten. Da er dort nicht bleiben konnte, zog er weiter nach Hauucabrunno, legte eine Rodung an und vererbte sie an seinen Sohn Asig; sed postea venientes missi nostri ad eadem loca praedictam silvam ad opus nostrum conquisierunt, ad hereditatem scilicet Gerhao quondam ducis. Vergleicht man damit den Passus salvas forestes nostras, quas ad opus nostrum constitutas habemus in der Urkunde Karls des Großen für St. Bertin vom 26. März 800 (MGH DKar. I Nr. 191), dann wird in dem Satz der Asig-Urkunde von 813 die Einforstung des Waldes Buchonia zwischen Werra und Fulda, des späteren Kaufunger Waldes, gesehen werden dürfen. Durch diese Einforstung waren die ererbten Rechte Asigs beeinträchtigt worden.
Hauucabrunno lebt in dem Haußmansbronn fort, den Wilhelm Dilichs Karte des Kaufunger Waldes von 1618 östlich von Escherode zeigt; es ist die Quelle des heutigen Hopbachs, der durch Escherode fließt. Escherode heißt offenbar nach Asig, dem Sohn des Rodungsgründers, so wie das benachbarte Benterode am Wellebach nach Graf Bennit heißt, dem Karl der Große durch zum Teil wörtlich übereinstimmende Urkunde vom 1. Dezember 811 (MGH DKar. I Nr. 213) den von dessen Vater Amalung gerodeten Teil des Waldes Buchonia bei Waldisbecchi zwischen Werra und Fulda bestätigt hatte. In dieser Urkunde ist von Einforstung noch keine Rede; möglicherweise fand die Einforstung des Kaufunger Waldes also 812/13 statt.
Die Forstgrenzen
Nach den Urkunden von 811 und 813 wurde der Wald Buchonia im Nordwesten von der Fulda und im Nordosten von der Werra begrenzt. Die am Zusammenfluß von Fulda und Werra im Norden des Kaufunger Waldes gelegene Stadt Hannoversch Münden hatte nach einer Urkunde vom 7. März 1247 althergebrachte Weide- und andere Rechte in silva que adiacet civitati inter Gelstram et Lotzmane amnes posita, d.h. bis zur Gelster im Südosten und zur Losse im Südwesten. Für dieses Gebiet zwischen Fulda, Werra, Gelster und Losse listet Wilhelm Dilich auf seiner Karte des Kaufunger Waldes von 1618 die Orte auf, so ius compascendi am walde haben. Gemeinschaftliche Weiderechte ohne Beschränkung auf bestimmte Distrikte scheinen danach vor allem die Orte gehabt zu haben, die auf dem Boden des ehemaligen Königsforstes liegen.
Über die Verwaltung dieses Königsforstes erfahren wir nichts. Vielleicht geschah sie von einem der umliegenden Königshöfe aus: Münden, Hedemünden oder Ermschwerd im Norden und Nordosten, Kassel oder Kaufungen im Südwesten. Für das namengebende Kaufungen spricht ein Bericht in Brunos Sachsenkrieg (hrsg. von F.-J. Schmale, 1963, S. 396) zum Februar 1081 über Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Anhängern und Gegnern Heinrichs IV.: Convenerunt autem ultra fluvium, qui Wisara dicitur, in silva, quae inde Capuana vocatur, quia ad urbem, quae Capua nominatur, pertinere cognoscitur.
Das Ende des Königsforstes
Durch Urkunde vom 8. Mai 1123 gab Kaiser Heinrich V. nach Urteil des Fürstengerichts dem Kloster Kaufungen predia in foreste Cofhungerwalt appellata zurück, nämlich die beiden Dörfer Heiligenrode und (die spätere Wüstung) Umbach (duas villas Helingenrodh scilicet et Umbach in eodem foreste sitas), die dem Kloster gewaltsam entfremdet worden waren. Der Forst war damals wohl nicht mehr Königsforst, weil Heinrich V. ihn nicht als nostra forestis oder nostri iuris forestis bezeichnet. In der Zeugenliste der Urkunde stehen hinter den Mitgliedern des Fürstengerichts und vor den Prozeßparteien, dem Kaufunger Vogt als Kläger und den Grafen von Reichenbach als offenbar beklagten Aggressoren, die Ludowinger Ludewicus comes et frater eius Heinricus, die noch nicht Landgrafen und deshalb auch noch nicht Mitglieder des Fürstengerichts waren. Sie verdanken ihre hervorgehobene Stellung in der Zeugenreihe wohl der Tatsache, daß sie seit der gisonisch-wernerischen Erbschaft 1122 die örtlich zuständigen Grafen und vermutlich auch die Forstherren im Kaufunger Wald waren, deren Anwesenheit bei einem derartigen Prozeß erwartet werden kann.
In unmittelbarem Besitz des Reiches war der Kaufunger Wald wohl noch 1051, als sich Heinrich III. in Kaufungen aufhielt; seine Beziehungen zum Kloster Kaufungen waren nicht so eng, als daß für seine mehrfachen Besuche in Kaufungen ein anderer Grund als weidmännisches Interesse am Königsforst Kaufunger Wald angenommen werden könnte. Auch als 1081 die Waffenstillstandsverhandlungen im Kaufunger Wald (oder eher im Kloster Kaufungen) stattfanden, dürften Forst und Kloster noch dem König gehört haben. Fünf Jahre später aber, am 12. Januar 1086, schenkte Kaiser Heinrich IV. das Kloster Kaufungen der bischöflichen Kirche zu Speyer. Vielleicht hat er damals auch den Forst Kaufunger Wald weggegeben, möglicherweise als Reichslehen an die Grafen Werner, von denen ihn 1122 die Ludowinger geerbt haben könnten.
Die späteren Schicksale des Kaufunger Waldes sind hier nicht mehr zu erörtern.
Stand: Dezember 2014
Literatur
- Einzelnachweise in meinem Beitrag „Der Kaufungerwald – Königsforst oder Königswald?“, in: W. Heinemeyer (Hrsg.), Hundert Jahre Historische Kommission für Hessen 1897-1997 (VÖHistKommHessen 61), Marburg 1997, S. 47-58
- W. A. Eckhardt, Rodedörfer im Kaufungerwald, in: ZHessG 71, 1960, S. 152-155
- O. Perst (Hrsg.), Festschrift zum 60. Geburtstag von Karl August Eckhardt (BeitrGeschWerralandschaft 12), Marburg, Witzenhausen 1961 (darin S. 9-20: W. Görich, Die Pfalz auf dem Ermschwerder Burgberg; S. 21-53: W. A. Eckhardt, Kaufungen und Kassel. Pfalz – Kloster – Stadt; S. 77-110: K. Brethauer, Beiträge zur Geschichte der Befestigungen Hannoversch Mündens)
- K. Heinmeyer, Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel (VÖMPIG 33), Göttingen 1971
- W. A. Eckhardt, Das Salbuch des Stifts Kaufungen von 1519 (VÖHistKommHessen 54, 1), Marburg 1993
- Allgemeine Literaturangaben im HRG zu den Artikeln „Einforstung“ und „Forst, Forstrecht“, vgl. auch
- R. Schützeichel, Bezeichnungen für „Forst“ und „Wald“ im frühen Mittelalter, in: ZfdA 87, 1956, S. 105-124
- W. Metz, Adelsforst, Martinskirche des Adels und Urgautheorie, in: H. Beumann (Hrsg.), Historische Forschungen für Walter Schlesinger, Köln, Wien 1974, S. 75-85
- Zu H. Kaspers, Comitatus nemoris, Düren, Aachen 1957, vgl. meine Besprechung in: ZAgrarG 6, 1958, S. 215-217